Winterammer UCLA
Samuel Bressler
Samuel Bressler
Verhaltensforschung

Vögel nach CoV-Lockdowns mutiger

Nach den Lockdowns während der CoV-Pandemie haben manche Vögel weniger Angst vor Menschen und lassen sie näher an sich heran, wie eine neue Studie aus den USA zeigt. In dieser wurden Winterammern untersucht, die auf einem Universitätscampus in Kalifornien leben.

Das kollektive Zuhausebleiben während der Covid-19-Pandemie war für viele Menschen eine einschneidende Erfahrung. Auch für die Winterammern, die seit 20 Jahren auf dem Campus der University of California UCLA leben, veränderte sich der Alltag drastisch.

Das Gelände, das sonst von rund 50.000 Studentinnen und Studenten und 8.000 Lehrpersonen wimmelt, war auf einmal menschenleer. Das wirkte sich auf das Verhalten der Vögel aus – wie eine aktuelle Studie im Fachmagazin „Proceedings of the Royal Society B – Biological Sciences“ zeigt, wurden sie weniger ängstlich.

Vögel lassen Menschen näher an sich heran

Die Fachleute rund um Hauptautorin Eleanor Diamant untersuchten die Ängstlichkeit der auf dem Campus ansässigen Winterammern vor, während und nach den pandemiebedingten Schließungen. Winterammern sind bodenbrütend und treffen daher unvermeidlich oft auf Menschen. Die Angst der Vögel wurde dadurch gemessen, wie nahe sie eine Person an sich heranlassen, bevor sie wegfliegen. Dieser Wert lag vor der Pandemie durchschnittlich bei 1,7 Metern, nach der Wiedereröffnung des Campus 2022 hingegen bei einem Meter.

Winterammer UCLA
Samuel Bressler
Winterammer auf dem Campus der UCLA

Eigentlich hatten die Forscherinnen und Forscher erwartet, dass die Angst vor Menschen entweder steigt oder auf einem ähnlichen Niveau bleibt. Das begründen sie in zwei Theorien, die das Vorkommen von Vögeln in dicht besiedelten Gebieten erklären: Einerseits könnten sich Vögel an Menschen gewöhnen, wenn sie über lange Zeit auf große Menschenmengen treffen – während der Pandemie hätten sie in diesem Sinne wieder entwöhnt und damit ängstlicher werden können.

Das würde auch dazu passen, dass ihre wildlebenden Verwandten einen weitaus größeren Respekt vor Menschen haben – diese halten nämlich dreieinhalb Meter Abstand. Andererseits ist denkbar, dass genau jene Vögel in die Städte ziehen, die von vornherein weniger Angst vor Menschen haben – dann würde ihr Sicherheitsabstand gleichbleiben.

Noch keine Erklärung

„Was wir nun herausgefunden haben, passt zu keiner dieser Theorien“, sagt die Ökologin und Evolutionsbiologin Diamant. Das Verhalten der Tiere könne auch nicht durch andere Faktoren erklärt werden, etwa den Rückgang der Lichtverschmutzung während der Pandemie oder die Abhängigkeit von Nahrung aus menschlichen Quellen. Die Toleranz von geringerem Abstand zu Menschen zeigte sich jedenfalls erst nach der erneuten Öffnung des Campus 2022, während der Schließungen noch nicht. Es machte auch keinen Unterschied, ob ältere Winterammern untersucht wurden, die bereits vor der Pandemie Kontakt mit Menschen hatten, oder erst kürzlich geschlüpfte.

Weitere Forschung soll zeigen, ob sich die Angst der Vögel langfristig wieder auf das Prä-Covid-Niveau einpendelt, oder ob sie gar noch weiter sinkt. „Das Verhalten von Tieren ist so komplex, und wir wissen noch immer vieles nicht, obwohl wir so nahe mit ihnen leben“, so Diamont. „Viele ihrer Reaktionen sind überraschend, und zeigen sich erst bei so großen und unerwarteten Ereignissen wie der Pandemie.“