Eine Reihe von Nobelmedaillen
AFP – JONATHAN NACKSTRAND
AFP – JONATHAN NACKSTRAND

Medizinnobelpreis für mRNA-Forschung

Der Nobelpreis für Medizin geht in diesem Jahr an Katalin Karikó und Drew Weissman, die beide maßgeblich an der Entwicklung von mRNA-Impfstoffen beteiligt waren – und somit auch an der erfolgreichen Bekämpfung von Covid-19. Das gab das Karolinska-Institut am Montag in Stockholm bekannt.

Die ungarische Biochemikerin Katalin Karikó und ihr US-Kollege Drew Weissman von der University of Pennsylvania würden für „ihre bahnbrechenden Erkenntnisse geehrt, die unser Verständnis des Zusammenspiels von mRNA mit unserem Immunsystem grundlegend verändert haben“, so das Preisgremium zum Nobelpreis für Medizin und Physiologie 2023. Damit hätten sie „zur beispiellosen Geschwindigkeit der Impfstoffentwicklung bei einer der größten Bedrohungen für die menschliche Gesundheit in der Neuzeit beigetragen“. 

Die mRNA in den Impfstoffen ist der Bauplan für ein Virusprotein. Dieses wird in einigen wenigen Körperzellen der Geimpften hergestellt, ihr Immunsystem richtet sich dann gegen dieses Protein.

Medizinnobelpreis an mRNA-Vakzin-Forschende

Der Medizinnobelpreis 2023 geht an Katalin Karikó und Drew Weissman für ihre Leistungen in der mRNA-Vakzin-Forschung. Sie legten mit ihrer Arbeit die Grundlage für Coronavirus-Impfstoffe.

Millionen Menschen das Leben gerettet

Die beeindruckende Flexibilität und das Tempo, mit der mRNA-Impfstoffe entwickelt werden könnten, ebneten den Weg für die Nutzung der neuen Plattform auch für Impfstoffe gegen andere Infektionskrankheiten. „In Zukunft könnte die Technologie auch zur Verabreichung therapeutischer Proteine und zur Behandlung bestimmter Krebsarten eingesetzt werden.“

„Mehrere andere Impfstoffe gegen SARS-CoV-2, die auf unterschiedlichen Methoden basieren, wurden ebenfalls rasch eingeführt, und insgesamt wurden weltweit mehr als 13 Milliarden Covid-19-Impfdosen verabreicht“, so das Komitee. „Die Impfstoffe haben Millionen von Menschen das Leben gerettet und viele weitere schwere Erkrankungen verhindert, sodass sich die Gesellschaften öffnen und zu normalen Bedingungen zurückkehren konnten.“

Lange Vorgeschichte und -zusammenarbeit

Die CoV-Impfstoffe der Unternehmen Biontech und Pfizer sowie Moderna waren die ersten zwei mRNA-Produkte, die auf den Markt kamen. An der Technik bastelten Fachleute jedoch schon vor mehr als 30 Jahren. Bereits Ende der 1980er Jahre schleusten drei Wissenschaftler – Robert Malone, Phil Felgner und Inder Verma – mRNA mit Hilfe von Fetttröpfchen in angezüchtete Zellen ein und brachten diese dazu, das gewünschte Protein herzustellen.

Doch bald keimte die Gentechnik auf, in die viele Fördermittel flossen. Die damals in Ungarn forschende Karikó glaubte jedoch weiterhin an den Nutzen der mRNA für die Medizin. Sie blieb dem Molekül auch treu, als sie 1985 in die USA emigrierte.

Katalin Kariko und Drew Weissman bei Breakthrough Prize awards im April 2023.
APA/AFP/GETTY IMAGES/Araya Doheny
Karikó und Weissman bei der Verleihung der Breakthrough Prize Awards im April 2023 in Los Angeles

Aus Mangel an Fördergeldern forschte Karikó im Labor zunächst weitgehend auf sich allein gestellt, ab 1998 auch mit Weissman. Der entscheidende Durchbruch gelang dem Forschungsduo, als es einen Baustein der mRNA austauschte und die mRNA daraufhin nicht mehr in der Zelle abgebaut wurde. Die Versuchsmäuse produzierten das gewünschte Protein.

Trotz weiterer Tiefschläge setzte Karikó ihren Weg fort und traf 2013 Ugur Sahin, der mit seiner Frau Özlem Türeci Biontech gegründet hatte. Er habe ihr noch am selben Tag einen Job angeboten, sagte Karikó der „New York Times“. Nach jahrelanger Zusammenarbeit hat sie das Unternehmen verlassen und ist seit Anfang Oktober 2022 nur noch dessen Beraterin.

Weissman: Lieber im Labor als im Rampenlicht

Weissman steht nicht gerne in der Öffentlichkeit. „Ich fühle mich im Labor viel mehr zu Hause als im Scheinwerferlicht“, sagte der US-Immunologe, als er 2021 mit dem Lasker-Preis für seine Forschung über mRNA-Moleküle ausgezeichnet wurde. Er freue sich sehr darüber, dass diese Forschung so eine große Hilfe leisten habe können, sagte der 1959 in Massachusetts geborene Wissenschaftler.

Anstelle Erfolge wie die Bekanntgabe der Wirksamkeit von mRNA-Impfstoffen zu feiern, wolle er lieber schnell wieder ins Labor – was seine Ehefrau und die beiden gemeinsamen Töchter frustriere. „Nachdem wir alle komplett geimpft waren, habe ich dann gesagt: Ok, wenn ihr unbedingt feiern wollt, dann lasst uns ein schönes gemeinsames Essen einnehmen.“

Weissman studierte an der Brandeis und an der Boston University, bevor er 1997 an die University of Pennsylvania kam, wo er bis heute arbeitet. Karikó traf er dort zufällig Ende der 90er Jahre beim Fotokopieren, die beiden taten sich zusammen – und schafften es schließlich, den Einsatz von mRNA als Impfstoff zu ermöglichen. Für seine Entdeckungen wurde Weissman bereits mehrfach ausgezeichnet – neben dem Lasker-Preis unter anderem mit dem Breakthrough Prize in Life Sciences, dem Prinzessin-von-Asturien-Preis und dem Preis der Robert-Koch-Stiftung.

Karikó mehrfach in Wien ausgezeichnet

Karikó hat für ihre mRNA-Grundlagenarbeit zahlreiche Auszeichnungen bekommen – darunter auch mehrmals in Österreich. Im Jahr 2021 wurde ihr die Wilhelm-Exner-Medaille des Österreichischen Gewerbevereins zuerkannt. Im Jahr darauf wurde sie in Wien mit dem Golden Arrow ausgezeichnet. Ursprünglich habe sie gar nicht das Ziel gehabt, einen Impfstoff zu entwickeln, sondern Krebstherapien, meinte sie im Vorjahr.

Die Angst mancher Impfgegner, dass die mRNA-Impfung ihr Erbgut verändern könnte, entbehre jeglicher Grundlage, erklärte die Wissenschaftlerin. „Damit RNA in DNA eingebaut werden kann, braucht man spezielle Enzyme, die nicht vorhanden sind. Ich bin absolut sicher, dass das nicht möglich ist, dafür gibt es keinen Mechanismus.“ mRNA sei außerdem sehr instabil und werde vom Körper rasch ausgeschieden.

Beginn der Nobelpreiswoche

Der Medizinnobelpreis macht bei den alljährlichen Preisvergaben traditionell den Anfang. In den nächsten Tagen werden dann die weiteren Preisträgerinnen und -träger in den Kategorien Chemie, Literatur, Frieden sowie Wirtschaftswissenschaften verkündet.

Links

Der Friedensnobelpreis ist dabei der einzige, der nicht in Stockholm, sondern in Oslo bekanntgegeben wird. Überreicht werden die Nobelpreise dann allesamt feierlich am 10. Dezember, dem Todestag des Dynamiterfinders und Preisstifters Alfred Nobel (1833–1896).

Dotiert sind die Auszeichnungen in diesem Jahr mit einem Preisgeld in Höhe von elf Millionen schwedischen Kronen (rund 950.000 Euro) pro Kategorie. Das sind eine Million Kronen mehr als in den Vorjahren.

Im Vorjahr an Evolutionsforscher Pääbo

Im vergangenen Jahr war der Medizinnobelpreis an den schwedischen Forscher Svante Pääbo für seine bahnbrechenden Erkenntnisse zur menschlichen Evolution gegangen. Unter anderem gelang es ihm, das Genom des Neandertalers zu sequenzieren. DNA ist ein recht instabiles Molekül und zerfällt im Laufe der Zeit in immer kleinere Bruchstücke. Dennoch schaffte es Pääbo, Erbgut des Neandertalers aus alten Knochenfragmenten zu isolieren und zu analysieren. 2010 stellte er eine erste Version des Neandertaler-Genoms vor.

In der Folge stellte er fest, dass Spuren dieser ausgestorbenen Menschenart auch im menschlichen Genom zu finden sind. Die Gene der Frühmenschen beeinflussen das menschliche Leben bis heute, etwa wie das Immunsystem auf Infektionen reagiert. Bei heute lebenden Personen aus Europa und Asien stammen noch etwa ein, zwei Prozent des Genoms vom Neandertaler.