Nobelpreisträger Ferenc Krausz
IMAGO/ZUMA Wire/Sachelle Babbar
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Physiknobelpreis an Austro-Ungarn Ferenc Krausz

Der Physiknobelpreis 2023 geht an den ungarisch-österreichischen Physiker Ferenc Krausz für seine Pionierarbeiten zur Teilchenforschung und Attosekundenphysik – gemeinsam mit seiner Kollegin Anne L’Huillier und seinem Kollegen Pierre Agostini. Das gab das Nobelpreiskomitee am Dienstag in Stockholm bekannt.

Die drei Fachleute werden für ihre Experimente ausgezeichnet, „die der Menschheit neue Werkzeuge für die Erforschung der Welt der Elektronen in Atomen und Molekülen an die Hand gegeben haben“, so die Begründung des Nobelpreiskomitees. „Sie haben gezeigt, wie man extrem kurze Lichtpulse erzeugen kann, mit denen sich die schnellen Prozesse messen lassen, in denen sich Elektronen bewegen oder Energie verändern.“

Großteil der Karriere in Österreich

Mit Ferenc Krausz wurde auch heuer ein Österreicher mit dem Physiknobelpreis gewürdigt – nach dem Quantenforscher Anton Zeilinger im Vorjahr. Aktuell arbeitet Krausz am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in München, hat aber einen Gutteil seiner wissenschaftlichen Karriere in Österreich verbracht – an der Technischen Universität Wien und unterstützt vom Wissenschaftsfonds FWF, der ihn 2002 auch mit dem wichtigsten Forschungspreis des Landes, dem Wittgenstein-Preis, auszeichnete.

Physiknobelpreis an Austro-Ungarn Krausz

Der Nobelpreis für Physik geht in diesem Jahr unter anderen an den ungarisch-österreichischen Teilchenforscher Ferenc Krausz. Zusammen mit Pierre Agostini und Anne L’Huillier wird Krausz für Experimente, die der Menschheit neue Instrumente zur Erforschung der Welt der Elektronen in Atomen und Molekülen gaben, ausgezeichnet.

Es sei ein sehr schönes Gefühl zu sehen, dass es sich trotz Rückschlägen gelohnt habe, sagte Krausz am Dienstag bei einer Pressekonferenz am Max-Planck-Institut für Quantenoptik. Die Botschaft, die er an die nächste Generation an Forschern und Forscherinnen weitergeben möchte, sei: „Wenn man an etwas glaubt und überzeugt ist, dass das Ziel das richtige ist und die Fragen, die man stellt, die richtigen und wichtigen Fragen sind, dann soll man diesen Weg gehen und sich von Rückschlägen nicht entmutigen lassen.“

L’Huillier „legte Grundlagen“

Krausz’ Kollege Agostini ist inzwischen emeritierter Professor an der Ohio State University in den USA und leitet ein Labor für „ultraschnelle Atomphysik“. L’Huillier ist Professorin für Atomphysik an der Lund-Universität in Schweden – sie ist erst die fünfte Frau, die mit dem Physiknobelpreis ausgezeichnet wurde. Die erste war Marie Curie 1903.

Die in Frankreich geborene L’Huillier habe die Grundlagen für die Forschungsleistung gelegt, so das Nobelpreiskomitee. Sie entdeckte, dass viele verschiedene Obertöne des Lichts entstehen, wenn man infrarotes Laserlicht durch ein Edelgas schickt. Diese Obertöne entstehen durch die Wechselwirkung des Laserlichts mit Atomen im Gas. Darüber erhalten einige Elektronen zusätzliche Energie, die als Licht emittiert wird.

L’Huillier legte damit den Grundstein für Experimente, die ihre beiden Kopreisträger erstmals 2001 durchführten: Agostini gelang es, eine Serie von aufeinanderfolgenden, sehr kurzen Lichtimpulsen zu produzieren, jeder Impuls dauerte dabei nur 250 Attosekunden. Krausz habe hingegen einen anderen experimentellen Zugang gewählt, über den es möglich wurde, einzelne Lichtimpulse zu isolieren.

TV-Hinweis:

ORF2 ändert sein Programm um zeigt um 22.25 einen Runden Tisch. Es diskutieren unter anderen ÖAW-Präsident Heinz Faßmann, der Physiker Werner Gruber und die ehemalige TU-Rektorin Sabine Seidler – mehr dazu in tvthek.ORF.at.

Ultrakurze Lichtpulse und ein „Guiness-Eintrag“

Krausz, geboren am 17. Mai 1962 in Mor (Ungarn), studierte an der Technischen Universität Budapest Elektrotechnik. Er promovierte 1991 in Quantenelektronik an der Technischen Universität (TU) Wien, wo er sich 1993 auch habilitierte und 1999 ordentlicher Professor wurde.

2001 gelang es Krausz und seinem Team an der TU Wien erstmals, aus extrem ultraviolettem Licht einzelne Lichtblitze im Attosekundenbereich zu erzeugen und zu messen. Eine Attosekunde ist ein Milliardstel einer milliardstel Sekunde. Diese extrem kurzen Lichtblitze ermöglichten es erstmals, die ultraschnellen Bewegungen von Elektronen sichtbar zu machen. Seither konnte Krausz zahlreiche Echtzeit-Filmaufnahmen der Bewegung von Elektronen in Molekülen und Atomen machen.

2003 wurde er zum Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching bei München ernannt. Seit 2004 ist er Professor für Physik und Leiter des Lehrstuhls für Experimentalphysik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im selben Jahr wurde er zum Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gewählt. 2015 gründete er das Centre for Advanced Laser Applications (CALA) an der LMU und leitet es seither, seit 2019 ist Krausz auch einer der Gründer und Direktor des Center for Molecular Fingerprinting Research in Budapest.

Seine Pionierexperimente mit ultrakurzen Laserpulsen schafften es 2002 in die „Liste der wissenschaftlichen Durchbrüche des Jahres“ des Fachblatts „Science“. Im science.ORF.at-Interview erklärte „der Elektronenjäger“ vor zwei Jahren, wie schwierig es ist, ultrakurze Lichtpulse zu erzeugen – und wie er einen Eintrag ins Guinness-„Buch der Rekorde“ erhielt.

Mehrfach ausgezeichnet

Krausz ist nach wie vor als Honorarprofessor an der TU Wien tätig und arbeitet noch immer mit den Wiener Gruppen zusammen. Erst vor zwei Wochen war er zu einem Symposium an der TU Wien zu Gast.

Der Informationskonzern Thomson Reuters zählte Krausz bereits 2015 in seiner jährlichen Prognose zu den Favoriten auf den Physiknobelpreis. Im Vorjahr wurde er für seine Beiträge zur Attosekundenphysik gemeinsam mit seiner Konobelpreisträgerin L’Huillier sowie mit Paul Corkum von der Universität von Ottawa (Kanada) mit dem renommierten Wolf-Preis in Physik ausgezeichnet.

„Das ganze Institut ist am Feiern“

Die Zuerkennung des Physiknobelpreises an Krausz sorgte für Freude in Kreisen der Politik und Wissenschaft. „Seine Arbeiten eröffnen uns völlig neue Perspektiven auf die Dynamik von Elektronen in Materie und sind Grundlagenforschung par excellence“, so FWF-Präsident Christof Gattringer.

Mit Krausz sei „innerhalb von nur zwei Jahren der zweite Wissenschaftler mit Wirkstätte in Österreich mit dem Nobelpreis in Physik ausgezeichnet“ worden, so ÖVP-Wissenschafts- und Forschungsminister Martin Polaschek: Krausz’ „wissenschaftliche Glanzleistungen“ seien außergewöhnlich und „bestätigen einmal mehr die hohe Qualität des österreichischen Wissenschafts- und Forschungsstandorts“.

„Im Namen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gratuliere ich unseren Mitgliedern Ferenc Krausz und Anne L’Huillier herzlich zum Nobelpreis für Physik“, so ÖAW-Präsident Heinz Faßmann. Nur ein Jahr nach der bedeutenden Ehrung an Anton Zeilinger sei das „erneut ein großartiger Erfolg für zwei unserer Mitglieder“. Bundespräsident Alexander Van der Bellen nannte die Auszeichnung auf Twitter (X) „eine besondere Ehre für die Wissenschaft in Österreich und Europa“.

„Wir freuen uns gigantisch. Das ganze Institut ist am Feiern“, so der Vorstand des Instituts für Photonik der Technischen Universität (TU) Wien, Karl Unterrainer, an dem Krausz die „bahnbrechenden Experimente“, für die er nun den Physiknobelpreis zugesprochen bekam, durchführte. Die Verbindungen mit Krausz seien weiter eng. Unterrainer beschrieb den Physiker als „sehr konsequenten“ Wissenschaftler, der seine Ziele immer klar vor Augen gehabt habe und sie „sehr intensiv verfolgt hat“.

„Atomare Zeitlupe“ zur Früherkennung von Krebs

Unterrainer vergleicht die Methode von Krausz mit einem Stroboskop im atomaren Bereich. So können nun „extrem schnelle Vorgänge für uns Menschen beobachtbar gemacht werden“. Physiker und Physikerinnen machen dazu Millionen einzelner Messungen, die dann – wie bei einem Film – zu einer Bildfolge zusammengesetzt werden, die Menschen „in einer normalen Geschwindigkeit anschauen können. Im Prinzip ist das eine Zeitlupe.“

Nobelpreisträger und -trägerinnen mit Österreich-Bezug
APA

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Die möglichen Anwendungsgebiete dieser „atomaren Zeitlupe“ sind zahlreich: In Wien versucht man etwa dem Treibhausgas CO2 Elektronen „herauszureißen“, damit es andere – weniger schädliche – chemische Verbindungen eingehen kann. Auch in der Elektronik und Hochgeschwindigkeitsdatenverarbeitung könnten solche Herangehensweisen neue Wege eröffnen und Abläufe beschleunigen.

Interessant sind überdies Anwendungen im Bereich der Medizin. Laut Krausz gibt es seit drei Jahren ein großes Forschungsprojekt mit 10.000 Menschen zur Erkennung von Krankheiten wie Krebs in frühen Stadien. Sie bekämen regelmäßig Blutproben abgenommen, die mit Infrarotlaserlicht durchleuchtet würden – um „daraus weitere Informationen, die uns derzeit die Labormedizin nicht liefern kann, über sich möglicherweise ausbildende Krankheiten in einem früheren Stadium zu gewinnen“. Die ersten Resultate seien vielversprechend, bis zur Anwendung seien aber vermutlich noch fünf bis zehn Jahre nötig.

Nachfolger von Zeilinger

Krausz tritt die Nachfolge des Quantenforschers Zeilinger sowie seiner Kollegen Alain Aspect und John F. Clauser an, die im Vorjahr ausgezeichnet wurden. Die drei Physiker hätten den von Albert Einstein als „spukhafte Fernwirkung“ abgetanen quantenphysikalischen Zustand, bei dem zwei verschränkte Teilchen wie von Zauberhand miteinander verbunden bleiben und ihre physikalischen Eigenschaften teilen, „aus der Theorie in die Praxis gebracht“, hieß es seitens des Komitees im Vorjahr.

Medizinnobelpreis für mRNA-Forschung

Der Physiknobelpreis wird bei der alljährlichen Preisvergaben traditionell am zweiten Tag vergeben. Am Montag ging der Medizinnobelpreis 2023 an Katalin Kariko und Drew Weissmann, die beide maßgeblich an der Entwicklung von mRNA-Impfstoffen beteiligt waren.

In den nächsten Tagen werden dann die weiteren Preisträgerinnen und -träger in den Kategorien Chemie, Literatur, Frieden sowie Wirtschaftswissenschaften verkündet. Der Friedensnobelpreis ist dabei der einzige, der nicht in Stockholm, sondern in Oslo bekanntgegeben wird. Überreicht werden die Nobelpreise dann allesamt feierlich am 10. Dezember, dem Todestag des Dynamiterfinders und Preisstifters Alfred Nobel (1833–1896).

Dotiert sind die Auszeichnungen in diesem Jahr mit einem Preisgeld in Höhe von elf Millionen schwedischen Kronen (rund 950.000 Euro) pro Kategorie. Das sind eine Million Kronen mehr als in den Vorjahren.