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Ernährung

Chips & Co.: Eher Drogen als Lebensmittel

Tiefkühlpizza, Wurstwaren, Chips – stark verarbeitete Lebensmittel können wie Drogen wirken, schreiben Forscher und Forscherinnen in einer Spezialausgabe des Fachmagazins „British Medical Journal“. Man solle sie auch als solche bezeichnen, um vor den Folgen ihres Konsums zu warnen und die Industrie zur Verantwortung zu ziehen.

Natürliche und wenig verarbeitete Lebensmittel haben eine ganz andere – meist einfachere – Nährstoffzusammensetzung als solche, bei denen die Bestandteile zahlreiche Verarbeitungsschritte durchlaufen und denen außerdem einige Extras zugesetzt werden, wie z. B. Salz, Geschmacksverstärker und Farbstoffe. So besteht etwa ein Apfel vor allem aus Kohlenhydraten in Form von Fruchtzucker, Lachs vor allem aus Fett. Ein Schokoriegel enthält hingegen viel Fett und viel Zucker.

Solche stark verarbeiteten Produkte stecken daher auch oft voller rasch verfügbarer Kalorien. Zu den oft als Junkfood bezeichneten Lebensmitteln zählen unter anderem Fertiggerichte und Chips, aber auch Frühstücksflocken und abgepackte Kekse. Der regelmäßige Konsum führt in vielen Fällen zu Übergewicht und zahlreichen weiteren gesundheitlichen Problemen.

Fett und Zucker

Wie das Team um Ashley Gearhardt von der University of Michigan nun in „Food for Thought 2023“ – einer Spezialausgabe der Fachzeitschrift „British Medical Journal“ – schreibt, ist die Kombination aus viel Fett und vielen Kohlenhydraten außerdem ein wesentlicher Grund, warum viele so schwer auf Pizza, Pommes und Schokopudding verzichten können. Das wirke unmittelbar im Belohnungszentrum des Gehirns. Die hochkalorischen Lebensmittel machen manche Menschen so abhängig wie Drogen. Die Wirkung sei vergleichbar mit Nikotin und Alkohol.

Durch ihren hohen Verarbeitungsgrad sind die Produkte auch besonders leicht und schnell konsumierbar, was ihre drogenähnliche Wirkung verstärkt, heißt es in dem Artikel. Zusatzstoffe wie Geschmacksverstärker und künstliche Süßstoffe tun ein Übriges.

Suchtkriterien erfüllt

Wie die Forscherinnen und Forscher ausführen, zeigen internationale Studien, dass sich die Abhängigkeit von bestimmten Lebensmitteln mit etwa 14 Prozent in der Allgemeinbevölkerung tatsächlich in einer vergleichbaren Größenordnung bewegt wie jene von Alkohol und Nikotin. Um den Grad der Abhängigkeit zu erfassen, haben Gearhardt und ihr Team bereits 2009 ein eigenes Instrument entwickelt, die Yale Skala. Die Einschätzung erfolgt dabei nach ähnlichen Kriterien wie bei anderen süchtig machenden Substanzen: Dazu zählen unter anderem mangelnde Kontrolle, großes Verlangen und Entzugserscheinungen. „Es gibt immer mehr Belege für eine Sucht nach Essen und ihre klinische Relevanz“, sagt Gearhardt in einer Aussendung ihrer Universität.

Lebensmittel, die süchtig machen

Ein Problem bei der Sucht nach Essen sei, dass man darauf nicht einfach verzichten kann wie auf andere Suchtmittel, z. B. Alkohol und Nikotin. Deswegen fordern Ashley Gearhardt und Co., dass man das süchtig machende Potenzial von hochverarbeiteten Produkten stärker hervorheben muss, um sie von anderen abzugrenzen, die das nicht tun. Denn diese Lebensmittel seien eigentlich eine Art Droge.

Man greift in eine Schüssel mit Chips
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Bei manchen Lebensmitteln fällt das Aufhören schwer

Natürlich gebe es dabei noch viele offene Fragen, betont das Team, etwa: Wie unterscheidet man süchtig machende Lebensmittel von solchen, die das nicht sind? Gibt es eine bestimmte Dosis, ab der man abhängig wird? Oder ob und wie verstärkt das Zusammenspiel aus Zutaten, Verarbeitung und Geschmacksverstärkern die drogenähnliche Wirkung von hoch verarbeiteten Produkten?

Soziale Ungleichheiten und Vorurteile

Außerdem könnte eine solche Klassifizierung auch soziale Ungleichheiten verschärfen, heißt es in der Arbeit. Denn stark verarbeitete Nahrungsmittel seien oft sehr billig und liefern sehr viele sehr schnell verfügbare Kalorien. In manchen Regionen sind Menschen, die wenig haben, daher auf solche günstigen Angebote angewiesen.

Belastende Lebensumstände können Suchtmittel zudem noch anziehender machen. Gesündere und weniger verarbeitete Produkte können kaum mit den niedrigen Preisen, der Verfügbarkeit und den Marketingmethoden der Lebensmittelindustrie mithalten. Ohne politische Maßnahme lasse sich dieses Problem daher nicht lösen, unterstreichen die Autoren und Autorinnen.

Einem anderen sozialen Problem könnte die Einstufung als Drogen laut dem Forschungsteam allerdings den Wind aus den Segeln nehmen, nämlich den Vorurteilen gegenüber esssüchtigen und übergewichtigen Personen. Betroffene gelten oft als willensschwach und selbst schuld. Würde man die Produkte als Suchtmittel einstufen, könnte man auch jene zur Verantwortung ziehen, die diese Lebensmittel auf den Markt bringen, ähnlich wie das bei der Tabakindustrie der Fall war.

Regularien und Warnhinweise

Neue Regularien könnten die aggressive Marketingmethoden unterbinden, mit denen die Lebensmittelindustrie das Verlangen nach manchen Produkten schürt, insbesondere auch bei Kindern. Es ließe sich auch die Zusammensetzung regulieren, etwa durch Vorgaben, wieviel Salz oder Zucker enthalten sein darf. Andere politische Maßnahme wären eine Besteuerung von sehr zuckerhaltigen Lebensmitteln, wie das in manchen Ländern bereits gemacht wird, oder eine gute sichtbare Kennzeichnung ähnlich den Warnhinweisen auf Zigarettenschachteln.

Für die Behandlung einer Essensabhängigkeit brächte eine klare Diagnose als Sucht ebenfalls klare Vorteile, schreiben die Forscher und Forscherinnen. Man könnte ähnliche Behandlungsansätze wie bei anderen süchtig machenden Substanzen verfolgen, erste Erfolge damit gebe es bereits.