Künstlerische Darstellung des DNA-Moleküls
Giovanni Cancemi – stock.adobe.com
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Genetik

Erbgut ist nicht in allen Zellen gleich

Das menschliche Erbgut ist nicht in allen Zellen identisch, berichten österreichische Genomforscher im Fachjournal „Nature Biotechnology“. Grundsätzlich haben zwar alle Menschen dieselben Gene im Erbgut, dieses wird aber oft umarrangiert. Folgenschwer sind solche Veränderungen bei Krebstumoren und bestimmten Gehirnerkrankungen.

Die Forscher Fritz Sedlazeck und Moritz Smolka kreierten am Human Genome Sequencing Center in Houston, USA, ein Computerprogramm namens „Sniffles-2“, das solche Strukturvarianten in Erbgutsequenzen aufspürt. Man kann es mit den Daten von vielen Zellen oder von mehreren Menschen gemeinsam füttern, und es dröselt größere Umstellungen, Streichungen, Verdoppelungen und Verschiebungen innerhalb von kurzer Zeit auf.

„Diese Aspekte sind insbesondere für neue klinische Anwendungen wichtig“, so Smolka gegenüber der APA. „Sniffles-2 schafft innerhalb einer Minute, wofür das Vorgängerprogramm Sniffles-1, das bisher quasi der Platzhirsch war, eineinhalb Tage benötigt“, sagte Sedlazeck.

Mit Sniffles-2 könne man zum Beispiel das Erbgut der Zellen eines Tumors genau untersuchen. „Einzelne Zellen in einem Tumor unterscheiden sich oft sehr stark in ihren genetischen Veränderungen“, so Smolka und das spiele bei der Entwicklung von Resistenzen gegenüber Chemotherapien eine wichtige Rolle.

Teils sind Krebszellen durch solche Erbgutveränderungen quasi vorbereitet auf Chemotherapeutika, und es braucht nur mehr einen zusätzlichen Schritt, bis sie nicht mehr darauf ansprechen. Krebsmedizinerinnen und -medizinier könnten sich darauf einstellen und gewisse Substanzen rechtzeitig durch andere ersetzen.

25.000 bis 30.000 Strukturvarianten

Auch in gesunden Menschen fanden die Forscher eine Vielzahl größerer Erbgutveränderungen im ganzen Körper, die offensichtlich zunächst nicht krank machen. „Wir schätzen, dass es 25.000 bis 30.000 solcher Strukturvarianten im Genom eines Menschen gibt“, so Sedlazeck. Sie wurden erst durch neue Sequenziertechnologien erkennbar, die lange Erbgutteile auslesen können und nicht nur kurze Stückchen.

Bei neurodegenerativen Erkrankungen, bei denen Nervenzellen im Gehirn zugrunde gehen, gibt es ebenfalls auffallend viele Veränderungen. Sie konnten bei einem Patienten mit der seltenen neurodegenerativen Krankheit „Multisystematrophie“ (MSA) multiple Strukturvarianten erkennen, die „mosaikartig“ im betroffenen Großhirnrindenbereich verteilt waren. Davon sind unter anderem Gene betroffen, die wichtig für die Funktion von Nervenzellen sind.

Die Studie des Forschungsteam um die beiden Genomforscher wurde im Fachjournal „Nature Biotechnology“ veröffentlicht. Sedlazeck war zudem an zwei Computeralgorithmen beteiligt, mit denen man Regionen auf dem Erbgut analysieren kann, wo sich Sequenzabschnitte genau oder fast genau wiederholen, so als ob in einem Buch zwei Kapitel unmittelbar hintereinander (fast) identisch sind. Solche „Tandemwiederholungen“ (engl. tandem repeats) können beeinflussen, wie oft Gene abgelesen werden und spielen bei mehr als 50 seltenen Erkrankungen eine Rolle.