Junge Besucher spielen auf der Gamescom in Köln Videospiele.
dpa/Roland Weihrauch
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Videospiele

Kurzzeitige Gewalt lässt nicht abstumpfen

Kriegsspiele und Co. aus der Ich-Perspektive wie Egoshooter und ähnliche Formate sind seit Langem sehr beliebt und werden immer realistischer. Umstritten ist, ob und inwieweit solche Spiele gegenüber realer Gewalt abstumpfen lassen. Eine Studie zeigt nun, dass sich das im Gehirn – zumindest kurzfristig – nicht ablesen lässt.

Für ihre Untersuchung ließ das Team um Claus Lamm und Lukas Lengersdorff von der Fakultät für Psychologie der Universität Wien, zu dem auch schwedische Forschende zählten, 89 erwachsene Männer über zwei Wochen hinweg insgesamt sieben Stunden lang entweder eine äußerst gewalttätige Variante des bekannten Videospiels „Grand Theft Auto V“ (GTA 5), das u.a. mit Foltersequenzen aufwartet, oder eine Version des gleichen Spieles, aus der die Gewaltdarstellungen entfernt wurden, spielen. Voraussetzung für die Teilnahme an der Studie war, dass die Teilnehmer keine oder nur sehr wenig Vorerfahrung mit dieser Art Videospielen hatten. Immerhin rund 25 Prozent der Europäer geben mittlerweile in Befragungen an, sich wöchentlich mit Computerspielen zu beschäftigen, schreibt das Team in der Arbeit, die soeben im Fachmagazin „eLife“ erschienen ist.

Keine Spuren im Gehirn

Die 45 Versuchspersonen aus der Gewaltgruppe töteten in diesem Zeitraum im Schnitt 2.844,7 Menschen im virtuellen Raum. Vor und nach der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Varianten von „Grand Theft Auto V“ wurden die Teilnehmer in den Magnetresonanztomografen (MRT) gebeten. Während Bilder der Vorgänge im Gehirn gemacht wurden, sahen sie Bilder von Menschen, denen vorgeblich Elektroschocks verabreicht wurden – ein klassischer wissenschaftlicher Versuchsaufbau, um auf das Mitgefühl (Empathie) von Menschen schließen zu können.

Dabei offenbarte sich, dass die zwei Wochen „GTA 5“-Erfahrung mit der gewalttätigen Version offenbar keine statistisch signifikanten Veränderungen auf die Reaktion auf die gequälten Menschen im Bildmaterial mit sich brachten. Nach der im Rahmen der Studie eher kurzen Erfahrung mit solchen Videospielen stellt sich laut den Analysen also keine offensichtliche Abstumpfung ein.

Widerspruch zu anderen Theorien

Dieses Ergebnis stehe durchaus im Kontrast zu anderen Untersuchungen und Theorien, schreiben die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die jedoch einschränken, dass die Erkenntnisse aus dieser Untersuchung nicht überinterpretiert werden sollten. So könnte daraus keineswegs geschlossen werden, dass das auch gilt, wenn sich Menschen über lange Zeit einer solchen Freizeitgestaltung aussetzen.

Was man sagen könne ist: „Ein paar Stunden Videospielgewalt haben keinen nennenswerten Einfluss auf die Empathie von psychisch gesunden, erwachsenen Versuchspersonen“, so Lengersdorff in einer Aussendung der Uni Wien. Dass die aktuellen Ergebnisse anderen Studien zu widersprechen scheinen, dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass in vielen Untersuchungen die Empathie mehr oder weniger direkt nach dem Spielen getestet wurde.

Schwierig zu untersuchen

Lamm plädiert angesichts dessen dafür, in der Forschung zu diesem teils sehr kontrovers diskutierten Thema besonders dafür zu sorgen, sichtbare kurzfristige von längerfristigen Effekten zu trennen. In weiterer Folge müsse man sich jedenfalls genau ansehen, was bei langfristigem Kontakt mit Gewalt in Videospielen passiert. Außerdem sei die große Frage, wie etwa Menschen aus gesellschaftlichen Gruppen darauf reagieren, die weniger gefestigt in ihrer psychischen Verfasstheit sind. So etwa Kinder und Jugendliche: „Das junge Gehirn ist hoch plastisch, wiederholter Kontakt mit Gewaltdarstellungen könnte daher einen viel größeren Effekt haben. Aber natürlich lassen sich diese Fragen nur schwer experimentell untersuchen, ohne an die Grenzen der wissenschaftlichen Ethik zu stoßen“, so Lamm.