Frau in mittleren Jahren
missty – stock.adobe.com
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Lebensmitte

Menschen in USA einsamer als in Europa

Einsamkeit nimmt weltweit zu und gilt als neue Volkskrankheit. Dass nicht alle Länder davon gleichermaßen betroffen sind, illustriert ein aktueller Vergleich von Langzeitdaten aus den USA und 13 europäischen Ländern: US-Amerikaner und -Amerikanerinnen in mittleren Jahren sind einsamer als Gleichaltrige in Nord- und Zentraleuropa.

Einsamkeit ist heute weltweit besorgniserregend weit verbreitet, wie etwa eine Langzeitstudie aus 113 Ländern vor zwei Jahren ergab, und zwar quer durch alle Altersgruppen, wenn auch mit regionalen Unterschieden.

Das Gefühl der Einsamkeit prägt nicht nur das subjektive Empfinden – unter anderem macht es so müde wie Hunger -, sondern schadet auch der Gesundheit: Das Risiko für Depressionen und chronische Erkrankungen steigt, insgesamt ist das Sterberisiko deutlich erhöht, wie eine Studie im vergangenen Jahr zeigte. Manche Länder haben das wachsende Problem bereits erkannt und sogar eigene Ministerien für Einsamkeit eingerichtet, z. B. Großbritannien und Japan.

Lebensphase mit Überlastungen

Die aktuelle soeben im Fachmagazin „American Psychologist“ erschienene Arbeit nimmt die Einsamkeit im mittleren Lebensalter in den Fokus. Wie die Autorinnen und Autoren um Frank J. Infurna von der Arizona State University schreiben, seien Menschen in dieser Lebensphase gewissermaßen das Rückgrat der Gesellschaft. Sie tragen einen großen Teil der Arbeitslast, außerdem kümmern sie sich in der Familie oft gleichzeitig um jüngere und ältere Generationen.

Untersuchungen in den USA hätten bereits gezeigt, dass die körperliche und mentale Gesundheitsprobleme in dieser Altersgruppe im Vergleich zu früheren Jahrzehnten deutlich zugenommen haben. Ob das auch für Einsamkeit gilt, sei bisher noch kaum untersucht. Die meisten Arbeiten zum Thema beschäftigen sich mit jüngeren oder älteren Kohorten.

Einsamkeit nimmt zu

Für die neue Studie wurden nun Langzeitdaten (von 2002 bis 2020) aus den USA und aus 12 europäischen Ländern (England, Österreich, Belgien, Schweiz, Deutschland, Dänemark, Spanien, Frankreich, Griechenland, Italien, Niederlande, Schweden) und Israel verwendet. Die insgesamt 53.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen waren zwischen 45 und 65 Jahre alt. Erfasst wurde Einsamkeit auf Basis der Three-Items Loneliness Scale. Dabei werden drei Fragen gestellt: Wie oft empfinden Sie, dass Ihnen ein Mensch fehlt? Wie oft fühlen Sie sich verlassen? Wie oft fühlen Sie sich von anderen isoliert?

Das Ergebnis: Das Gefühl der Einsamkeit nimmt tendenziell überall zu. US-Amerikaner und -Amerikanerinnen fühlen sich allerdings in der Lebensmitte noch einsamer als Europäer und Europäerinnen, besonders betroffen sind die jüngeren Jahrgänge der Babyboomer und die Generation X. In Europa bietet sich insgesamt ein etwas differenzierteres Bild. In Großbritannien und im mediterranen Raum hat die Einsamkeit bei den jüngeren Teilnehmern und Teilnehmerinnen ebenfalls zugenommen, wenn auch nicht ganz so deutlich wie in den USA. In Nord- und Zentraleuropa blieb die durchschnittlich empfundene Einsamkeit relativ stabil.

Politische Maßnahmen

Laut den Forschern und Forscherinnen könnten kulturelle Normen und sozioökonomische Faktoren hinter den Unterschieden stecken: In den USA spielen Individualismus und soziale Medien eine wichtigere Rolle. Auch sei die politische Polarisierung weitaus ausgeprägter als in Europa. Dazu komme eine höhere Mobilität, was den familiären Zusammenhalt erschwert. Große Einkommensunterschiede und fehlende soziale Absicherung verstärken das Gefühl der Einsamkeit wahrscheinlich weiter.

Einsamkeit sei jedenfalls ein wichtiges Thema für die öffentliche Gesundheit, schreiben Infurna und Co. Nötig wären gezielte politische Interventionen, maßgeschneidert für das jeweilige Land und die speziellen Umstände, z. B. soziale Sicherheitsnetze oder eine großzügige Arbeits- und Familienpolitik, die den finanziellen Druck herausnimmt und die Zerrissenheit zwischen Arbeit und Familie abschwächt.