Frau sitzt auf Bank, Wolken, Einsamkeit
Farknot Architect – stock.adobe.
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Gesundheit

Junge stark von Einsamkeit betroffen

Einsamkeit ist laut aktuellen Studien bei jungen Erwachsenen besonders gestiegen. Auch der am Donnerstag vorgestellte „Austrian Health Report“ zeigt, dass die psychische Belastung der unter 30-Jährigen merklich höher ist als jene in älteren Bevölkerungsgruppen. Das Gefühl der Einsamkeit kann auf Dauer psychisch und körperlich krank machen – aber es gibt auch Wege heraus.

Einsamkeit ist es ein belastendes, schmerzendes Gefühl. Man kann sich auch in einer Beziehung einsam fühlen. Andersherum: Wer allein lebt, muss noch lange nicht einsam sein. Aber einsame Menschen haben nicht genügend tiefgehende soziale Kontakte, denn das Gefühl von Einsamkeit ist ein wichtiger Indikator dafür, dass das Grundbedürfnis nach sozialer Eingebundenheit nicht ausreichend erfüllt ist.

Die Pandemie und die Teuerung sind nur zwei Faktoren der jüngeren Vergangenheit, die die Einsamkeit in der Gesellschaft befeuert haben: Ein Viertel der Österreicherinnen und Österreicher berichtete in einer Umfrage der Caritas im vergangenen Frühling, sich seit der Pandemie einsamer zu fühlen, 17 Prozent berichteten, dass sie wegen der Teuerung auf manche Sozialkontakte verzichten. Wissenschaftlerinnen wie die Psychologin Mareike Ernst von der Universität Klagenfurt sprechen von etwa zehn Prozent der Bevölkerung, die sich chronisch einsam fühlen.

Die Betonung liegt dabei auf „chronisch“, denn generell ist Einsamkeit ein Gefühl, mit dem jeder und jede zeitweise konfrontiert wird – etwa wegen eines Umzugs oder einer Trennung. Doch wer sich immer einsam fühlt, hat ein wesentlich höheres Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu bekommen und auch psychische Erkrankungen zu entwickeln. Eine Metastudie aus dem heurigen Juni hat etwa ergeben, dass das Gefühl von Einsamkeit das allgemeine Sterberisiko im Untersuchungszeitraum um etwa 14 Prozent erhöht.

Welche Angebote effektiv sind

Johannes Gorbach vom Verein Social Innovation Wien hat mit einem Team der Social Innovation Research Unit, einer außeruniversitären Forschungseinrichtung, wissenschaftlich erforscht, welche Projekte gegen Einsamkeit besonders effektiv sind. Ein Ergebnis: Besonders gut geeignet sind solche Angebote, die mit Gesundheitsvorsorge oder Sport beworben werden.

Als Beispiel nennt er Angebote zum gemeinsamen Wandern oder Sitzgymnastik für Senioren und Seniorinnen. Hier nehmen Menschen teil mit dem vorrangigen Ziel, etwas für die Gesundheit zu tun. Dabei kommen sie aber besonders gut in Kontakt zueinander und oft ergeben sich auch neue Bekanntschaften, die über den Rahmen der Gruppe hinaus gepflegt werden, so Gorbach: „Das heißt, sie bekommen ein stärkeres Beziehungsnetzwerk, das ihnen dann auch in schwierigen Lebensphasen unterstützend zur Seite stehen kann und so eine präventive Wirkung gegen Einsamkeit entfaltet“.

Aus Scham vereinsamt

Angebote unter dem Label „Gegen die Einsamkeit“ kommen nicht bei allen gut an, gerade weil sich viele für ihre Einsamkeit schämen und das als persönlichen Makel betrachteten, so Gorbach. Die Psychologin Mareike Ernst ergänzt, dass es hier zu einer Abwärtsspirale kommen kann, weil einsame Menschen oftmals ein negatives Selbstbild entwickelten und überzeugt seien, niemand wolle etwas mit ihnen zu tun haben.

Das Resultat könne sein, dass sie sich auch bei den verbliebenen Kontakten nicht mehr meldeten und Depressionen entwickeln könnten. Umso wichtiger sei es also umgekehrt, sich regelmäßig bei Freunden zu melden, wenn man lange nichts mehr von ihnen gehört hat, so die Psychologin Mareike Ernst. Auch kleine Kontakte, etwa zu Nachbarn können helfen, diese Abwärtsspirale zu stoppen.

Plattform gegen Einsamkeit

Wer es schafft, aus eigener Motivation heraus etwas gegen die Einsamkeit zu unternehmen, findet zahlreiche Initiativen und Projekte auf der Plattform gegen Einsamkeit in ganz Österreich. Um nachhaltig neue Beziehungen zu schaffen, müsse man allerdings ausreichend viele Menschen zusammenbringen, damit ein soziales „Match“ dabei herauskommt, so Johannes Gorbach. Als Beispiel nennt er ein Begegnungscafé:

„Hier sind die durchführenden Personen gefordert, ein Setting zu schaffen, in dem Menschen einerseits gut miteinander ins Gespräch kommen können, dann aber auch gleichzeitig einen gewissen Wechsel ermöglichen, damit nicht immer die gleichen Personen miteinander konfrontiert sind.“

Untersuchungen hätten gezeigt, dass das nicht von selbst passiert, sondern dass sich die Menschen meist an die gleichen Sitzplätze begeben wie beim letzten Treffen. Das könne dazu führen, dass Personen, die besser zueinander passen, einander gar nicht richtig kennenlernen.

Junge Menschen stark betroffen

Gesunde Rentnerinnen sind oft sozial vernetzter als 18- bis 30-Jährige. Studien zeigen, dass die Einsamkeit bei jungen Erwachsenen besonders angestiegen ist, ein Grund könnte eine höhere Mobilität und unsichere Lebensentwürfe sein. Zuletzt erschien eine Studie der Einsamkeitsforscherin Maike Luhmann, die junge Menschen im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen im Fokus hat. Ein Ergebnis: Jeder und jede fünfte Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 20 Jahren fühlt sich stark vereinsamt. Dazu beigetragen hat auch die Pandemie, wie eine EU-Studie zeigt.

Und völlig unabhängig von der Pandemie untersuchte eine Studie der Ruhr-Universität Bochum und der Friedrich-Schiller-Universität Jena Einsamkeit bei jungen Erwachsenen zwischen 1976 und 2019. Auch hier zeigt sich ein Anstieg der Einsamkeitserfahrungen.

Das Problem der Vereinsamung ist nicht auf die Großstadt beschränkt, so Johannes Gorbach. Einsamkeit auf dem Land kann besonders hart sein, gerade weil sich dort alle kennen, erklärt er: „Wenn einen alle kennen, dann fällt es manchmal noch schwerer, die wenigen Kontakte, die man noch hat, zu nutzen, um sich wieder rauszuholen, weil man sich einfach für die eigene Situation schämt“. Die Anonymität der Großstadt kann also auch Chancen bieten, sich neu zu vernetzen und sich gemeinsamen Aktivitäten anzuschließen.

Health Report: Unter-30-Jährige besonders belastet

Dass die psychische Belastung bei den unter 30-Jährigen merklich höher als jene in älteren Bevölkerungsgruppen ist, zeigt auch der Austrian Health Report im Auftrag der Pharmafirma Sandoz, der am Donnerstag präsentiert wurde. Dieser Trend hat sich durch die Pandemie beschleunigt, so Reinhard Raml vom Marktforschungsinstitut IFES. Jüngere sind häufiger erschöpft und fühlen sich öfter im eigenen Körper unwohl. Was sie sich wünschen, ist mehr Digitalisierung im Gesundheitsbereich.

Der Austrian Health Report 2023 zeigt auf, dass sich der Gesundheitszustand der Gesamtbevölkerung weiter verschlechtert hat – obwohl die Pandemie überstanden ist. Es gebe weiterhin die Situation, „die man als ‚Land unter‘ bezeichnen kann“, sagte Raml. Rund zwei Drittel (65 Prozent) schätzen ihren allgemeinen Gesundheitszustand als sehr gut oder gut ein. Das sind weniger als noch 70 Prozent im Vorjahr und deutlich weniger als in der Zeit vor der Covid-Pandemie. Mit dem Gesundheitssystem sind 16 Prozent gar nicht zufrieden und nur 45 Prozent sehr zufrieden. „So ein schlechtes Ergebnis haben wir noch nicht gehabt“, berichtete der IFES-Geschäftsführer.

Befragt wurden insgesamt 1.003 Personen, davon 363 16- bis 19-Jährige, was in etwa der Generation Z entspricht. 29 Prozent dieser jüngeren Altersgruppe beurteilen ihre psychische Gesundheit sehr gut oder gut, im Vergleich zu 63 Prozent der 30- bis 44-Jährigen, 60 Prozent der 45- bis 59-Jährigen und 80 Prozent der Menschen ab 60 Jahren. Damit reiht sich die psychische Gesundheit der Generation Z sichtbar unter den Durchschnitt der Bevölkerung ein, berichtete Raml. 15 Prozent der Jüngeren bezeichnen ihren psychischen Gesundheitszustand sogar als sehr schlecht oder schlecht.