Wald und Wiese unter blauem Himmel
IUFRO, Nelson Grima
IUFRO, Nelson Grima
Erderwärmung

Klimafitte Bäume werden seltener

Borkenkäfer und Dürren haben in Mitteleuropa jüngst Bäume auf tausenden Hektar absterben lassen, berichtet ein Forschungsteam mit Beteiligung der Uni Wien. Bei der Suche nach heimischen Baumarten zum Aufforsten der Schadflächen zeigte sich, dass es gebietsweise kaum Baumarten gibt, die flexibel genug sind, den voranschreitenden Klimawandel bis zum Ende des Jahrhunderts zu überstehen.

„Bäume, die heute gepflanzt werden, müssen sowohl unter den aktuellen Bedingungen, als auch unter zukünftig deutlich wärmeren Bedingungen zurecht kommen“, so Johannes Wessely vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien in einer Aussendung.

„Würde man wärmeliebende Bäume pflanzen, welche gut an die Bedingungen am Ende des 21. Jahrhunderts angepasst sind, so riskiert man in den nächsten Jahren massive Verluste der Jungbäume durch Kälte und Frost.“ Baumarten, die gut an das aktuelle Klima angepasst sind, würde es wiederum in Zukunft deutlich zu warm werden.

69 heimische Baumarten wurden für die Studie, die nun im Fachjournal „Nature Ecology and Evolution“ erschienen ist, auf ihre Eignung untersucht.

Wälder bunter mischen

„In Österreich sind laut der Studie im Durchschnitt zwölf Baumarten je Quadratkilometer klimatisch fit für das 21. Jahrhundert, während es unter stabilen Klimabedingungen noch achtzehn Arten gewesen wären“, schreibt das Forschungsteam: Im europäischen Durchschnitt sind sogar nur neun Baumarten je Quadratkilometer der globalen Erwärmung gewachsen. Von den klimafitten Bäumen könne wiederum nur ein Drittel wichtige Waldfunktionen übernehmen, also einen guten Lebensraum für Tiere schaffen, sie ernähren, effektiv Kohlenstoff speichern und Nutzholz abwerfen.

Das Forschungsteam plädiert, die Wälder bunter zu mischen: „Drei Baumarten auf einer Fläche bringen bereits viel und machen den Wald deutlich besser und stabiler als bei einer Baumart“, so Rupert Seidl vom Department für Life Science Systems der Technischen Universität München gegenüber der APA: „Fünf Baumarten wären noch besser.“ Wichtig sei vor allem, dass Baumarten mit unterschiedlichen Eigenschaften gemischt werden, und nicht nur sehr ähnliche.

Baumsterben durch Borkenkäferbefall
Rupert Seidl
Baumsterben durch Borkenkäferbefall

In Österreich wären im Gebirge die Weißtanne, die Rotbuche und der Bergahorn gut geeignet, in tieferen und mittleren Lagen wie etwa dem Waldviertel die Stieleiche, Winterlinde und Hainbuche, berichtet Seidl: „Sehr dünn wird das Baumportfolio aber zum Beispiel in der Westhälfte Frankreichs und auf großen Teilen der Iberischen Halbinsel.“ Dort gebe es Gebiete, wo nur zwei bis vier der natürlich in Europa vorkommenden Baumarten flexibel genug sind, um bis zum Ende des 21. Jahrhunderts bestehen zu können.

„Aber auch in den Zentralalpen haben wir eine unterdurchschnittliche Zahl von Baumarten, die zur Aufforstung geeignet sind. Die Bergregionen weisen heute noch zum Teil sehr harsche Bedingungen auf, die sich rasant verändern“, so Seidl. Daraus ergibt sich eine geringe Schnittmenge an Baumarten, die sowohl mit den heutigen als auch mit den zukünftigen Umständen zurechtkommen.

Nichtheimische Baumarten rücken in Fokus

Für den Leiter des Forschungsprogramms „Walddynamik, Waldwachstum und Klima“ an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), Arthur Gessler, bietet die neue Studie wichtige Informationen darüber, „welches Artenportfolio für heutige waldbauliche Maßnahmen zur Verfügung steht und welches auch noch zum Ende des Jahrhunderts für einen gegebenen Standort geeignet ist“, so der Forscher, der nicht an der Studie beteiligt ist, gegenüber dem deutschen Science Media Center (SMC).

Angesichts der Geschwindigkeit der Klimaveränderung und der äußerst bescheidenen Maßnahmen zum Einbremsen der Erhitzung werden die Temperatur- und Niederschlagsveränderungen für Europas Wälder laut Fachleuten massiv. Die Studie zeige auch, „dass wir über nichtheimische Baumarten reden müssen“, so Gessler. Deren Vor- und Nachteile sollte man jedoch intensiv diskutieren.