Doppelhelix von Erbgut, DNA, Genom
peterschreiber.media – stock.adobe.com
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Alzheimer

Genvariante als eigene Form von Alzheimer

Genetische Faktoren sind an der Entstehung von Demenzerkrankungen wesentlich beteiligt. Zu den stärksten Risikogenen für die Alzheimer-Krankheit zählt APOE4. Wer zwei Kopien dieser Genvariante besitzt, ist besonders gefährdet, zeigt eine spanische Studie: Es handle sich womöglich um eine eigene genetische Form von Alzheimer.

Obwohl Genveränderungen eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung von Demenzerkrankungen spielen, sind sie nur in drei Prozent allein dafür verantwortlich, ob jemand tatsächlich erkrankt. In Bezug auf Morbus Alzheimer kennt die Forschung bisher drei Gene (APP, PSEN1 und PSEN 2), die einen frühen Krankheitsbeginn verursachen. Wesentlich häufiger hingegen ist die spät auftretende Form der Alzheimer-Demenz, die vor allem mit einer speziellen Genvariante in Verbindung gebracht wird: APOE 4.

Eine spanische Forschungsgruppe unter der Leitung von Juan Fortea vom Hospital de la Santa Creu i Sant Pau hat die Rolle von APOE4 bei Personen, die zwei Kopien dieser Genvariante (APOE4-homozygot, Anm.) im Erbgut besitzen, genauer untersucht und festgestellt, dass diese Mutation als eigene Form der genetisch bedingten Alzheimer-Erkrankung angesehen werden kann.

Risikofaktor oder Auslöser?

Bis zu zwei Prozent der Bevölkerung tragen die spezielle Genkombination von APOE4 in sich. Für ihre Studie, die im Fachjournal „Nature Medicine“ erschienen ist, haben die Forschenden die Daten des National Alzheimer’s Coordinating Center und von fünf weiteren Kohorten verglichen: Fast alle Personen mit zwei APOE4-Kopien wiesen im fortgeschrittenen Alter Alzheimer-Symptome auf.

Ab dem 55. Lebensjahr hatten sie im Vergleich zu Menschen mit APOE3-Gen signifikant höhere Werte von Biomarkern für Alzheimer im Blut. Mit 65 Jahren zeigten sich bei so gut wie allen Betroffenen abnormal hohe Werte von Amyloid (Eiweiß, Anm.) im Nervenwasser, bei 75 Prozent konnten auch bereits Eiweißablagerungen im Gehirn nachgewiesen werden, die schließlich zu den typischen Alzheimer-Symptomen führen, schreibt das Wissenschaftsteam.

Alle diese Biomarker traten mit steigendem Alter immer häufiger auf, was darauf hindeutet, dass Personen, die zwei APOE4-Kopien tragen, tatsächlich an Alzheimer erkranken werden, so Fortea. Er und sein Team sind deshalb überzeugt, dass das APOE4 nicht nur ein Risikofaktor für die Entwicklung einer Alzheimerdemenz ist, sondern eine eigene genetische Form dieser Erkrankung darstellt.

Bedeutender Wissenszuwachs

Die Neurologin und Leiterin die Ambulanz für Gedächtnisstörungen und Demenzen an der Medizinischen Universität Wien, Elisabeth Stögmann, sieht in dieser Studie „einen bedeutenden Wissenszuwachs im Bereich der Alzheimer-Demenz“. Da etwa zwei Prozent der Bevölkerung APOE4- homozygot sind – also zwei APOE4-Kopien in sich tragen, sei das als durchaus häufig anzusehen. „Diese Daten liefern hilfreiche Informationen in der Beratung von APOE4-homozygoten Personen“, so die Neurologin.

Das betätigt auch ihr Kollege Alfredo Ramírez von der Universitätsklinik Köln. Er weist außerdem darauf hin, dass sich APOE im Lauf der Jahre immer deutlicher nicht nur als Risikofaktor, sondern als ursächliches Gen für Alzheimer herauskristallisierte. Die nun präsentierten Ergebnisse seien also nicht überraschend. „Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse sollte das Konzept der genetisch bedingten Alzheimer-Krankheit geändert werden“, meint Ramírez.

Keine Empfehlung für Gentests

Für Nicolai Franzmeier von der Ludwig-Maximilians-Universität München stellt sich die Frage „wie APOE4 die Entwicklung der Alzheimer-typischen Gehirnveränderungen bedingt, die letztendlich zur Demenz führen“. Das müsse weiter erforscht werden.

Alle drei raten aber davon ab, sich aufgrund der nun vorliegenden Studienergebnisse präventiv – noch vor dem Auftreten erster Symptome – auf APOE4 und damit ein möglicherweise hohes Risiko für eine späte Alzheimer-Demenz testen zu lassen. Die Aussagekraft dieser Tests sei zu gering und das Wissen um einen genetischen Risikofaktor belastend. Zudem gebe es zum jetzigen Zeitpunkt noch keine entsprechenden Therapiemöglichkeiten.