Galaxie NGC 1052-DF2, Illustration für dunkle Materie
AFP/ESA/Hubble
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Forscherinnenalltag

Momentan bleibt alles Theorie

Experimentalphysik ohne Experimente ist langfristig schwierig, meint Valentyna Mokina von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Für eine Weile gibt es aber auch ohne Messungen am Teilchenbeschleuniger mehr als genug zu tun, sagt die aus der Ukraine stammende Forscherin.

Valentyna Mokina
ÖAW

Valentyna Mokina ist Experimentalphysikerin am Institut für Hochenergiephysik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Vor meiner Zeit in Österreich habe ich in Italien gearbeitet. Dort habe ich viele gut Dinge erlebt, aber auch einige nicht so gute: Lawinen, schwere Schneefälle, Erdbeben, eingesperrt sein in einem kleinen Ort ohne Geschäfte und einmal sogar all das gleichzeitig. Ich war verängstigt. Bin ich jetzt verängstigt? Ich würde sagen, nur wegen meiner Freunde und meiner Familie. Ich mache, was wir alle machen – ich bleibe in Kontakt mit „meinen Leuten“. Um sicherzugehen, dass es ihnen gut geht. Das ist alles, was ich tun kann. Meine Familie lebt in der Ukraine, genauso wie meine Freunde. Physisch kann ich ihnen nicht helfen. Aber ich kann ruhig bleiben, zuhause und meine Arbeit machen.

Also, was mache ich? Ich bin Experimentalphysikerin. Das heißt, ein reiner „Computer-Ansatz“ reicht für mich nicht. Ich arbeite bei einem Experiment zu Dunkler Materie mit. Wir hatten gerade begonnen, Daten zu sammeln, nachdem der Detektor nachgerüstet wurde. Es war eine wirklich schwierige Entscheidung, das Experiment zu stoppen. Keine neuen Daten oder Ergebnisse in den Monaten. Man muss sich nur vorstellen, ein Kind zu sein, das einen Lego-Baukasten bekommt, den es sich sehnlichst gewünscht hat. Und dann sagt jemand zu dir: Nein, wir machen das später. Wann? Ich weiß es derzeit nicht. Traurig, aber natürlich ist die Sicherheit der Menschen wichtiger.

Und dann sind da noch die Konferenzen oder sollte ich besser sagen ihr Nichtvorhandensein – alle verschoben oder abgesagt. Das bedeutet: Keine Wissensaustausch und keine neuen Ideen für Arbeit und Zusammenarbeit. Als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind wir es gewohnt, uns online zu treffen. Jetzt hat sich nur die Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer geändert. Wir haben immer mehr Arbeit, als wir handhaben können. Sicherlich können wir eine Weile vor unseren Rechnern arbeiten, aber ohne richtige Experimente ist alles, was wir haben, reine Theorie.