Mikroplastik
APA/GEORG HOCHMUTH
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Mikroplastik

Krankheitserreger als „blinde Passagiere“

Mikroplastik belastet heute selbst entlegenste Weltregionen. Wie Forscherinnen und Forscher warnen, geht von den winzigen Plastikteilchen eine weitere bisher wenig beachtete Gefahr aus: Im Gepäck haben sie Krankheitserreger, die zuvor nur auf dem Festland vorkamen und nun auch Meerestiere krank machen.

Immer öfter erkranken auch Meerestiere an Infektionen, die früher ausschließlich Landlebewesen betroffen haben. Ein Beispiel ist die Katzenkrankheit Toxoplasmose, mit der sich auch Menschen anstecken können. In der Schwangerschaft kann sie schwere Schäden beim Ungeborenen verursachen, abgesehen davon verläuft sie aber meist harmlos.

Heute befällt der Erreger Toxoplasma gondii auch viele Seeotter. Für die Meeresbewohner endet das oft tödlich. Andere schon jetzt bedrohte Arten fallen dem Keim ebenfalls immer häufiger zum Opfer, etwa der Hector-Delfin oder die Hawaii-Mönchsrobbe, schreiben die Forscherinnen und Forscher um Karen Shapiro von der University of California Davis School of Veterinary Medicine in einer Aussendung.

Weit verbreitete Erreger

Für die soeben im Fachmagazin „Scientific Reports“ erschienene Studie hat Shapiros Team untersucht, welche Rolle Mikroplastik bei der Ausbreitung solcher Erreger im Meer spielt. Die winzigen Partikel sind nicht größer als fünf Millimeter. Man findet sie heute mehr oder weniger überall, selbst so entlegene und vermeintlich unberührte Weltregionen wie die Arktis sind stark damit belastet.

Wie gut sich krankmachende Keime an die kleinen Teilchen anheften können, haben Shapiro und Co. mit Laborexperimenten überprüft. Die Tests wurden mit drei Pathogenen durchgeführt: Toxoplasmose-Erreger, Kryptosporidien und Giardien. Alle drei Parasiten können Menschen wie Tiere befallen. Gewählt wurden sie, da die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihretwegen den Konsum von Schalentieren als unterschätzte Krankheitsgefahr einstuft, heißt es in der Studie. Man findet die Erreger heute in allen Meeren.

“Per Anhalter“ übers Meer

Bei den Experimenten wurden zwei Arten von Mikroplastik verwendet: Mikrokügelchen aus Polyethylen und Mikrofasern aus Polyester. Die Kügelchen finden sich in Kosmetikprodukten, z.B. in Peelings und Gesichtsreinigern, die Fasern stammen von Kleidungsstücken und Fischernetzen.

Mikroplastik unter dem Mikroskop mit Pathogenen
Karen Shapiro, UC Davis
Mikrofasern mit Pathogenen unter dem Mikroskop, Toxoplasma gondii (blauer Punkt), Giardie (grüne Punkte)

Laut den Forscherinnen und Forschern heften mehr Keime an den flaumigen Fasern. Diese findet man tatsächlich sehr häufig in Schalentieren. Das zeige, dass sich die ursprünglich am Land heimischen Pathogene „per Anhalter“ auch in Gewässern ausbreiten können.

Manche Partikel können dabei große Distanzen zurücklegen, weil sie auf der Wasseroberfläche treiben. Andere sinken zu Boden. So erreichen die „mitreisenden“ Erreger auch Lebewesen, die am Meeresboden leben, z.B. Muscheln, die das Plastik aus dem Wasser filtern. Die Partikel täuschen die Meeresbewohner, die die Teilchen für Nahrung halten, erklärt Shapiro: „Wie verändern natürliche Nahrungsnetze durch das menschgemachte Material, das gleichzeitig tödliche Parasiten einschleppt.“ Das habe weitreichende Folgen für Tiere und Menschen.

Die Ergebnisse unterstreichen laut den Studienautorinnen und -autoren einmal mehr, wie wichtig es wäre, die Entstehung von Plastikmüll von vorherein zu verhindern sowie die Verbreitung von Plastikresten einzudämmen. In der Aussendung nennen sie auch ein konkretes Beispiel: Bei jeder Wäsche gelangen Mikrofasern ins Abwasser. Filter in der Waschmaschine können zumindest die Mengen verringern.