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jaboo_foto – stock.adobe.com
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Lichtverschmutzung

Medizinerin fordert dunklere Nächte

Künstliches Licht macht die Nächte immer heller – mit negativen Folgen für ganze Ökosysteme. Umso wichtiger wären Maßnahmen gegen die Lichtverschmutzung, sagt eine österreichische Medizinerin. Es brauche unter anderem mehr „Dark Sky“-Regionen, um die Folgen des künstlichen Lichts auch hierzulande exakter bestimmen und entsprechend dagegen vorgehen zu können.

Straßenbeleuchtungen, Leuchtreklamen, Videowände – sie alle machen die Nacht immer mehr zum Tag. Eine Anfang des Jahres veröffentlichte Untersuchung von Forscherinnen und Forschern um den deutschen Physiker Christopher Kyba zeigte, dass die nächtliche Lichtverschmutzung im vergangenen Jahrzehnt um rund zehn Prozent pro Jahr zunahm.

„Das ist deutlich rascher, als ursprünglich angenommen“, erklärt Eva Schernhammer gegenüber science.ORF.at. Die Leiterin der Abteilung für Epidemiologie an der Medizinischen Universität Wien (MedUni) beschäftigt sich bereits seit Jahren mit Störungen der inneren Uhr bei Menschen, die oft auch von äußeren Lichteinflüssen herrühren. Erst vor Kurzem war die Medizinerin daher Teil eines internationalen Forschungsteams, das die Auswirkungen der Lichtverschmutzung in einer umfangreichen Spezialausgabe des Fachmagazins „Science“ auf mehreren Ebenen dokumentierte.

Unzureichende Forschungslage

Die Forscherinnen und Forscher warnten in den insgesamt fünf Übersichtsarbeiten davor, dass mit der steigenden Lichtverschmutzung auch die negativen Effekte für Mensch, Tier und gesamte Ökosysteme zunehmen. Wie diese im Detail aussehen, ist zum Teil aber noch nicht ausreichend untersucht, meint Schernhammer: „In den letzten zwanzig Jahren wurde auf dem Gebiet schon viel Forschung betrieben, es gibt aber immer noch sehr viel Luft nach oben.“

Erst seit Kurzem gibt es laut der Medizinerin etwa Untersuchungen, in denen Forscherinnen und Forscher die visuellen Anforderungen und gesundheitliche Bedenken kombinieren. „Wie hell muss es sein, dass ich auch nachts gut sehen kann – aber wie dunkel sollte es sein, dass meine biologische Uhr nicht gestört wird? Diese Herangehensweise ist relativ neu, wird aber sicherlich dazu beitragen, konkrete Empfehlungen gegen die Lichtverschmutzung zu erarbeiten“, sagt Schernhammer.

Forderung nach dunkleren Nächten

Eine bestimmte Maßnahme wäre laut der Medizinerin besonders vielversprechend, denn sie könnte die Forschungsarbeit vorantreiben und gleichzeitig auch die Lichtverschmutzung zumindest auf regionaler Ebene stark reduzieren. „Es wäre wichtig zu versuchen, gewisse Regionen in Österreich so zu gestalten, dass man dort die Dunkelheit der Nacht aufrechterhält“, sagt Schernhammer.

Die Medizinerin fordert mehr „Dark Sky“-Regionen in Österreich, in denen zumindest vorübergehend so wenig künstliches Licht wie möglich in Richtung Nachthimmel gestrahlt wird. Einen offiziell als derartige Region anerkannten Sternenpark gibt es bereits um den Atter- und Traunsee, Schernhammer fordert aber auch Versuche in stärker von Menschen bewohnten Gebieten. „Man könnte so etwas einmal modellhaft versuchen und sich über einen gewissen Zeitraum anschauen, welche voraussichtlich positiven Auswirkungen die Dunkelheit auf verschiedene Bereiche des Ökosystems hat, inklusive der menschlichen Gesundheit“, erklärt sie.

Weniger Scheinwerfer, bessere Lampen

Klar sei, dass die „Dark Sky“-Regionen nicht überall in Österreich umsetzbar sind und auch schon in der Nähe von kleineren Städten große Anstrengungen erfordern. Dennoch sei es möglich, mit rechtlichen und politischen Maßnahmen, die Lichtverschmutzung deutlich zu reduzieren.

Wege, dort hinzukommen, gibt es laut Schernhammer viele, etwa das Herabsetzen der Helligkeit oder gar das zeitlich begrenzte Abschalten von Werbe- und Gebäudebeleuchtungen. Eventbeleuchtung, die den Nachthimmel oft mit großen Scheinwerfern bestrahlt, ist laut der Medizinerin ebenfalls ein Problem und in vielen Fällen unnötig.

Auch im Bereich der österreichischen Straßenbeleuchtung gebe es oft noch Raum für Verbesserungen. In Wien wird bereits seit Jahren daran gearbeitet, alte Straßenlaternen durch neue LED-Lampen zu ersetzen. Bis 2026 will man die letzten Leuchten austauschen. Obwohl LED-Lampen potenziell mehr schädliches blaues Licht produzieren, soll sich die nächtliche Lichtverschmutzung durch die modernere Beleuchtung reduzieren. Dafür sorgt eine spezielle Form der Lampen, die das Licht zielgerichteter in Richtung Boden strahlt. Auch in anderen Regionen Österreichs könnten modernere Lampen zu dunkleren Nächten beitragen, meint Schernhammer.

Direkte und indirekte Gefahr

Die Maßnahmen und eventuelle „Dark Sky“-Modellregionen in Kombination mit regelmäßigen Untersuchungen könnten künftig dazu beitragen, die Folgen der Lichtverschmutzung besser zu verstehen und sie so weit wie möglich zu minimieren. Das helfe auch der menschlichen und ökologischen Gesundheit und verhindere negative Kettenreaktionen.

„Viele vergessen, dass die Lichtverschmutzung auch sehr viele indirekte Gefahren für uns Menschen mit sich bringt. Das Licht schadet Insekten, was zum Beispiel dazu führen kann, dass Fledermäuse in andere Gebiete ziehen und Viren entwickeln, die dann als Zoonosen wiederum auf uns Menschen übertragen werden“, beschreibt Schernhammer nur eines von vielen möglichen Szenarien. Umso wichtiger sei es, die Ergebnisse aktueller Studien ernst zu nehmen und weitere Forschung auf dem Gebiet anzuregen.

Von Seiten der österreichischen Politik fordert Schernhammer klarere Richtlinien und Gesetze und das Implementieren besser überlegter Beleuchtungssysteme in Städten. In weiterer Folge würde das auch die Energieverschwendung und die Kohlenstoffemissionen verringern.