Ein Forscher blickt in ein Mikroskop
Getty Images/iStockphoto/Luza Studios
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Wissenschaftsbarometer

Etwas mehr Vertrauen in die Wissenschaft

Österreich gilt als ein Land, in dem Vertrauen in die Wissenschaft eher gering ist. Im Vergleich zum Vorjahr ist es aber ein wenig gestiegen, wie das neue Wissenschaftsbarometer der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) zeigt. Bei Menschen, die generell unzufrieden sind, ist die Skepsis laut der Umfrage aber extrem hoch.

Im Zuge der Coronavirus-Pandemie hat sich die österreichische Gesellschaft wie in vielen anderen Ländern polarisiert. Spätestens das Eurobarometer 2021 zeigte, dass es hierzulande eine starke Minderheit gibt, die der Wissenschaft skeptisch bis ablehnend gegenübersteht – oder zumindest bestimmten Aspekten, wie die Wissenschaftsforscherin Ulrike Felt von der Universität Wien im Vorjahr betonte.

Um die Situation genauer zu beleuchten, hat die ÖAW im Vorjahr erstmals ein Wissenschaftsbarometer präsentiert – und zieht nun mit der Zweitausgabe einen Vergleich. Das Vertrauen in die Wissenschaft hat demnach leicht zugelegt. 73 Prozent der von Gallup International Befragten bewerteten ihr Vertrauen mit „stark“ oder „sehr stark“. Das sind drei Prozent mehr als 2022. Der Anteil der überzeugten Skeptiker und Skeptikerinnen hat sich von sieben auf sechs Prozent leicht verringert.

„Gesunder Menschenverstand“ weiter beliebt

Neben dem leichten Aufwind in der Vertrauensfrage wächst auch das Ansehen, das Forscherinnen und Forscher in der Bevölkerung genießen. Alle in der Umfrage genannten positiven Eigenschaften wie „kompetent“, „qualifiziert“ oder „verantwortungsvoll“ legten im Vergleich zu 2022 zu. Zudem sagen 77 Prozent (plus 7), dass „Wissenschaft und Forschung unser Leben verbessern“, 80 Prozent (plus 4) unterstützen die staatliche Förderung von Wissenschaft und Forschung.

Gewinner der Umfrage ist aber auch der „gesunde Menschenverstand“. Stimmten im Vorjahr noch zwölf Prozent der Aussage „voll und ganz“ zu, dass „man sich mehr auf den ‚gesunden Menschenverstand‘ als auf wissenschaftliche Studien verlassen soll“, so waren es diesmal 14 Prozent. Ein Drittel meint auch, dass „Wissenschaft mit Politik und Wirtschaft unter einer Decke stecken“.

Faßmann: „Wissenschaft von Politik abgekoppelt“

ÖAW-Präsident Heinz Faßmann hält den Trend generell für erfreulich. „Ich bin zufrieden, denn es hätte auch anders ausgehen können. Wir haben eine allgemeine politische Stimmungslage, die ja eher durch Skepsis und mangelndes Vertrauen gekennzeichnet ist“, so Faßmann gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal. „Die Wissenschaft und Forschung hat sich davon ein klein wenig abkoppeln können, das ist das Gute.“

Der ÖAW-Präsident vermutet, dass das Ende der CoV-Pandemie-Maßnahmen und die zwei Nobelpreise für österreichische Forscher dabei eine Rolle gespielt haben. Der Quantenphysiker Anton Zeilinger war im Vorjahr ausgezeichnet worden, heuer folgte ihm der Physiker Ferenc Krausz nach – Anfang Oktober, als Gallup International die Umfrage im Auftrag der ÖAW durchgeführt hat. „Wir dürfen uns aufgrund dieser positiven Nachrichten aber keineswegs ausruhen“, meinte Faßmann. „Bei einem Viertel der Bevölkerung müssen wir immer noch Überzeugungsarbeit leisten. Darauf werden wir uns künftig noch stärker fokussieren.“

Grafik zum Vertrauen in die Wissenschaft
Grafik: APA; Quelle: ÖAW

16 Prozent „systemisch unzufrieden“ und skeptisch

Um sich die Skeptikerinnen und Skeptiker genauer anzusehen, ließ die ÖAW eine Spezialauswertung der Umfrage durchführen. Dabei stießen die Fachleute der Gallup-Sozialforschung auf die Kategorie der „systemisch Unzufriedenen“: ein harter Kern von rund 16 Prozent, den eine skeptische und ablehnende Haltung gegenüber verschiedenen Aspekten der Gesellschaft und des eigenen Lebens eint.

Die Hälfte von ihnen interessiert sich nicht für Wissenschaft, 60 Prozent vertraut ihr nicht, über 80 Prozent vertrauen Medienberichten über Wissenschaft nicht. Diese Skepsis paart sich laut Umfrage mit politischen Überzeugungen: Nur zwölf Prozent der „Unzufriedenen“ halten die Gesellschaft für fair, nur elf Prozent verurteilen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und nur fünf Prozent befürworten eine Covid-Impfung.

„Mainstream der Zufriedenen“

Im Gegensatz dazu stehen „die Zufriedenen“, laut Umfrage sind das 35 Prozent der Menschen in Österreich, sie sind „orientiert am politischen Mainstream und demokratischen Werten, gut informiert und politisch interessiert“. Von ihnen interessieren sich 71 Prozent für Wissenschaft, 93 Prozent vertrauen ihr, und 79 Prozent halten entsprechende Medienberichte für vertrauenswürdig.

Das verknüpft sich mit politischen Überzeugungen, 91 Prozent der „Zufriedenen“ verurteilen den russischen Angriffskrieg, und 76 Prozent befürworten eine Covid-Impfung. Zwischen den beiden Polen befinden sich laut Umfrage die „durchschnittlich Zufriedenen“ – rund die Hälfte und somit die Mehrheit im Lande.

„Mehr in sozialen Medien kommunizieren“

Um mehr Vertrauen in die Wissenschaft zu schaffen, gibt es eine Reihe von Initiativen, etwa Wissenschaftsbotschafter und -botschafterinnen, die an Schulen gehen, um über ihre Arbeit zu berichten. Dieses Projekt hält Faßmann für sehr gut. „Wir werden aber auch überlegen müssen, wie wir innerhalb der sozialen Medien besser kommunizieren können. Das ist ein Bereich, den man wenig angreift, aber ich glaube, hier müssen wir mehr tun, weil die traditionellen Medien von unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen nicht mehr so wahrgenommen und konsumiert werden, wie es früher der Fall war. Also unsere Öffentlichkeitsarbeit hier an der Akademie ist weiter gefordert.“